Unabhängig, vertraulich, vertrauenswürdig

Mada Mevissen, Frau der ersten Stunde der Sozial- und Konfliktberatung, geht in den Ruhestand

01.12.2020 von

Nach 20 Jahren erfolgreicher Arbeit heißt es Abschied nehmen: Mada Mevissen, die die Sozial- und Konfliktberatung an der TU Darmstadt aufgebaut und als eine Anlaufstelle profiliert hat, die wegen ihrer Vertrauenswürdigkeit allseits geschätzt ist, ist in den Ruhestand gewechselt.

Mada Mevissen verabschiedet sich von der TU Darmstadt und geht in den Ruhestand.

Alles begann anno 2000 mit losen Uni-internen Überlegungen für den Aufbau einer Sozialberatungsstelle für die Beschäftigten an der TU, „Schwerpunkte Sucht und Konflikt“. Als Mada Mevissen die entsprechende Stellenausschreibung las, geriet sie kurz ins Grübeln. Dann aber warf die Soziologin und Politologin, angestellt in der Zentralen Studienberatung der TU, ihren Hut in den Ring. Kurzum, sie wurde ausgewählt, schrieb ein Konzept, nahm die Suche nach einem passenden Raum selbst in die Hand, zog ein – und schon klopften die ersten Klientinnen und Klienten an. Im Frühjahr 2001 stellte sie sich in ihrer neuen Rolle und mit ihrem Aufgabenspektrum kurz und knapp in der Personalversammlung vor. „Ab da hatte ich einen ausgebuchten Kalender“, erinnert sich Mada Mevissen rückblickend. „Allein in den Tagen danach riefen 30 Leute an.“ Zunächst kamen Sekretärinnen, Beschäftigte aus Werkstätten, aber bald auch wissenschaftliche Mitarbeitende, die etwa unter spannungsgeladene Beziehungen zu ihren Doktorvätern litten. Und bald meldeten sich auch die ersten Professoren und andere Führungskräfte, um Rat zu suchen.

Keine interessengeleitete Beratung

Einige Dinge stellte Mada Mevissen von Anfang an klar: Sie berät nicht einseitig oder interessengeleitet. Sie ist innerhalb der Beratungsarbeit unabhängig, nicht an Weisungen gebunden. Und die Klientinnen und Klienten können sich auf darauf verlassen, dass alles, was in den Sitzungen angesprochen wird, absolut vertraulich behandelt wird. Und so stieg Mevissen ein in die Gemengelage persönlicher Probleme und beruflicher Belastungen. In Fällen von Stress, Mobbing-Vorzeichen, Alkoholabhängigkeit, gesundheitlichen Beeinträchtigungen – oder von Konflikten im Zusammenhang mit Führungsaufgaben.

Gleich zu Beginn ihrer neuen Tätigkeit bestand Mada Mevissen darauf, regelmäßig in Supervision zu gehen und sich fortzubilden; und diese Forderungen wurden akzeptiert. Außerdem begann sie, die bereits eine Zusatzausbildung zur systemischen Beraterin absolviert hatte, mit einer Ausbildung in Mediation. Inzwischen ist ihr Portfolio längst noch umfassender: Coach, Supervisorin sowie eine ihr wichtige und „sehr hilfreiche“ Fortbildung an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt zu Diagnostik und Umgang mit psychischen Erkrankungen.

Mada Mevissen war stets auch eine gute Netzwerkerin. „Ich hatte von Anfang an eine Mentorin, eine überaus erfahrene Sozialberatungskollegin bei der Stadt Darmstadt.“ Von ihr lernte sie viel für die eigene Fallarbeit, über sie fand sie rasch Zugang zu einem Kreis von Kolleginnen und Kollegen aus Unternehmen und anderen Institutionen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. „Ein wunderbares Netzwerk“. Auch koordinierte sie das kleine Netzwerk von Kolleginnen in den Sozialberatungsstellen von Darmstädter Unternehmen und Verwaltungen.

„Ich finde es noch immer einen gelungenen Schachzug, dass wir seit Anfang an den Begriff ‚Konflikt‘ im Titel führen“, meint Mevissen, „das Wort ist ein Türöffner, weil es vielen einen Anlass gibt zu sagen: Konflikte darf man haben und hat jeder, also gehe ich dorthin. Auch wenn es dann in der Beratung schließlich um ganz andere Themen ging.“ Die hohe Akzeptanz und ein guter Ruf aufgrund von „Weiterempfehlungen“ drücken sich auch in Zahlen aus. „Ich habe immer die Position vertreten: Wenn in unserer Beratung die Nachfrage steigt, bedeutet das, dass mehr Leute Zugang zu uns gefunden haben. Und nicht zwingend, dass die Arbeitsbedingungen an der TU sich verschlechtern oder krisenhafter werden. Das können wir daraus nicht ableiten.“ Rund 10.000 Beratungsgespräche mögen es inzwischen sein, die sie und ihre Kolleginnen – in den vergangenen elf Jahren gab es in kleinen Tranchen einen Stellenzuwachs – geführt haben.

Bundesweites Vorbild

Damals, im Jahr 2000, „gehörten wir mit der Stelle zur Avantgarde unter den Hochschulen, und in einigen Bereichen sind wir es bis heute“, betont Mevissen. Ab etwa 2007, nach dem ersten wirklich beklemmenden Fall eines Studenten, der sein Umfeld lange drangsalierte und mit Gewalt drohte, wurde in und um die Beratungsstelle ein hoch professionelles Bedrohungsmanagement aufgebaut, das bis heute in ganz Deutschland Vorbildfunktion hat und über umfangreiche Expertise in Sachen Stalking verfügt. Außerdem widmet sich die Sozial- und Konfliktberatung inzwischen auch Hinweisen auf Fälle sexualisierter Übergriffe und Diskriminierungen – in enger Kooperation mit dem Gleichstellungsbüro und dem Beschwerde- und Verbesserungsmanagement für Studium und Lehre.

Was bleibt beim Blick zurück? „Die von so vielen Klientinnen und Klienten zum Ausdruck gebrachte Dankbarkeit“, sagt Mada Mevissen. „Ich durfte das wohltuende Gefühl erleben, dass meine Arbeit nützlich und hilfreich ist.“ In ihrer Abschieds-Mail an Kolleginnen und Kollegen schrieb sie, sehr oft „Vertrauen, Zuversicht, Kreativität und Dankbarkeit erlebt“ zu haben. „Die Gespräche waren oft sehr berührend und auch inspirierend; ich habe es als Privileg empfunden, dass Menschen mir ihr Vertrauen schenkten.“ Gut, dass es oft gelungen ist, „gemeinsam Verbesserungen in manchen Arbeitsbeziehungen und Strukturen zu erzielen und damit Beiträge zu Veränderungen zugunsten der Beschäftigten an der TU Darmstadt zu leisten.“

Jetzt, im Ruhestand, heißt es für Mada Mevissen, auf die eigene Gesundheit zu achten. Sie engagiert sich zuhause in Frankfurt auch in der Geflüchtetenhilfe und zugunsten der Initiative „Stolpersteine“. Und sonst noch? „Mal gucken“.