Steinerne Zeitzeugin

TU lässt Abschnitt der historischen Stadtmauer sanieren

19.11.2019 von

Die TU Darmstadt lässt erhaltene Abschnitte der Stadtmauer der Alten Vorstadt an der Erich-Ollenhauer-Promenade nahe des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung denkmalgerecht sanieren und wird sie wieder für die Allgemeinheit zugänglich machen.

An der Stirnseite des Instituts- und Verwaltungsgebäudes S3|20 an der Erich-Ollenhauer-Promenade macht die TU Darmstadt ein Stück Darmstädter Geschichte erlebbar: Sie saniert ein Stück der der Stadtmauer, die dort als Erweiterung der alten Stadtmauer um die Neue Vorstadt im 16. Jahrhundert entstand. Als Stadtmauer genutzt wurde die Anlage in Darmstadt – wie auch in ganz Deutschland üblich – bis etwa 1800, danach wurden die Stadtmauern aufgegeben und ihre Tore abgerissen, da sie mehr und mehr zu Verkehrshindernissen wurden.

Einen Teilabschnitt der Darmstädter Anlage an der Ollenhauer-Promenade bildet heute die Südmauer eines in den 1840er-Jahren direkt an der Vorstadtmauer errichteten, zu einer Lazarett-Nutzung gehörenden Nebengebäudes im sogenannten „Gelben Haus“. In diesem Bereich wurde die historische Vorstadtmauer zu einem späteren, nicht bekannten Zeitpunkt abgebrochen, so dass die Rückwand dieses Nebengebäudes zu einem Teil der Gesamtanlage wurde.

Gemeinsam mit einer parallel verlaufenden, Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Grundstücksmauer bilden die Mauerzüge einen etwa 2,5 Meter breiten Gang, der als Zugang von der östlich gelegenen Merckstraße zum 1897 errichteten Frauengefängnis diente. Aus dieser Zeit stammen auch die Tore zu beiden Seiten des Ganges, die im Ensemble erhalten werden und nach der Sanierung tagsüber offenstehen werden.

Das Frauengefängnis entstand als Erweiterung des auf dem angrenzenden Areal in der Rundeturmstraße 1834 fertiggestellten Männergefängnisses. Die Pläne für das Männergefängnis stammten von Georg Moller und Franz Heger. Während der NS-Zeit inhaftierten die Nationalsozialisten hier Deutsche und Ausländer. Der Gefängniskomplex wurde um 1970 abgerissen. Bis 1995 befanden sich auf dem Gelände Parkplätze der damaligen Technischen Hochschule, heute stehen dort Forschungsinstitute.

Sanierung in zwei Bauabschnitten

In einem ersten Bauabschnitt, der nun fast fertiggestellt ist, ließ die TU Darmstadt die westliche Hälfte der erhaltenen Bruchsteinmauern bearbeiten. Neben handwerklichen Mauerwerksreparaturen wie dem Austausch stark durchwurzelter Bereiche und dem Ausmauern von Fehlstellen beinhaltete der erste Abschnitt vor allem die statisch-konstruktive Sicherung der Rückwand des Lazarett-Nebengebäudes. Während der Sanierungsarbeiten wurden auch vier Schießscharten entdeckt. Daran, dass sie im Innenbereich des heutigen Ganges ihre Engstelle haben, ist zu erkennen, dass sich dort die Außenseite der Stadtmauer befand. Zwei der Schießscharten wurden in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt, zwei weitere sind aktuell noch durch Steine verschlossen.

Der zweite Bauabschnitt, mit dem im September begonnen wurde, umfasst neben den Mauerwerksinstandsetzungen auch eine Neugestaltung der Außenanlage. Dabei sollen eine Informationstafel zur Geschichte der Stadtmauer angebracht sowie Bänke aufgestellt werden. Außerdem wird der Verlauf der ursprünglichen Stadtmauer an dieser Stelle sichtbar gemacht. Das Ende der Arbeiten ist für Herbst 2020 vorgesehen. Dann wird der Gang entlang der Stadtmauer für die Öffentlichkeit begehbar sein.