Jeden Tropfen nutzen

Positive erste Bilanz der Regenwasserbewirtschaftung auf Campus Lichtwiese

20.12.2022 von

Zwei großzügige Wasserflächen glitzern auf der Wiese neben der Eugen-Kogon-Straße in der Sonne und spiegeln die Gebäude des Campus Lichtwiese. Trotz des kühlen Tags sind Spaziergängerinnen und Spaziergänger unterwegs. Wer das Arrangement betrachtet, könnte meinen, auf Teiche einer Parkanlage zu schauen. Doch das Wesentliche spielt sich hier unterirdisch ab. Die glitzernden „Teiche“ sind nur der sichtbare Teil einer Anlage zur Regenwasserbewirtschaftung. Kürzlich wurde sie modernisiert und erweitert. Die ersten Betriebsmonate hat sie nun bereits erfolgreich hinter sich gebracht. Sie ist damit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum „Selbstversorger-Campus“.

Das neue Regenwasserbewirtschaftungssystem auf dem Campus Lichtwiese ist eine bedeutende Optimierung der bestehenden Anlage. Seit das neue System Mitte Juli den Betrieb aufgenommen hat, wurden rund 20.000 Kubikmeter Wasser über die „Teich“-Mulden versickert und dem Grundwasser zugeführt. Der Grundwasserspiegel im Bereich der Lichtwiese ist in dieser Zeit um zwei Meter gestiegen, so dass die TU in den nächsten Tagen erstmals Wasser für die Brauchwassernutzung entnehmen kann. Das spart auch Trinkwasser aus dem Ried, das sonst für diesen Zweck zugekauft werden müsste.

Bis zu 150.000 Kubikmeter Regenwasser auffangen

Bereits seit 1993 nutzt die TU etwa 100.000 Kubikmeter Brauchwasser pro Jahr für die Toilettenspülung, Grünflächenbewässerung sowie für Labor- und Versuchszwecke. Die Anlage war damals die größte und fortschrittlichste Brauchwasseranlage in Deutschland und wurde mit Umweltpreisen ausgezeichnet. Seitdem ist der Brauchwasserbedarf auf dem Campus gestiegen, und die TU entschied sich für eine Erweiterung und Anpassung an den heutigen Stand der Technik.

Mit der neuen Anlage können bis zu 150.000 Kubikmeter Regenwasser pro Jahr aufgefangen und als Brauchwasser genutzt werden. Zudem fließt fast kein Niederschlagswasser mehr von Dächern, Straßen und anderen versiegelten Oberflächen sowie Drainagewasser aus dem Gelände ungenutzt ins öffentliche Kanalnetz.

Nun wird das aufgefangene Wasser statt in den Kanal in die drei mehr als 5.000 Quadratmeter großen, flachen, grasbewachsenen Mulden auf der Fläche westlich neben der Eugen-Kogon-Straße gefördert, die tageweise abwechselnd befüllt werden und trockenfallen, damit sich Gras und Boden erholen können. Das funktioniert selbst in regenarmen Monaten noch, da aus Drainagen von Gebäuden der siebziger Jahre ein dauerhafter Abfluss vorliegt. Gut sichtbar wurde dies bereits in diesem Sommer, als mitten auf der ansonsten braun-vertrockneten Wiese die Mulden sich in sattem Grün präsentierten.

„Jeder Tropfen Regenwasser bleibt auf der Lichtwiese “

Aus den Mulden versickert das Wasser drei bis fünf Meter tief in den Boden, wird über Brunnen entnommen und nach einer Qualitätskontrolle in das vorhandene Brauchwassernetz der TU eingespeist. So kann ein Großteil des Bedarfs gedeckt werden und die Menge des Trinkwassers, das verbraucht wird, stark reduziert werden.

„Wir werden hier massiv weniger Frischwasser brauchen. Das Ziel ist, dass künftig jeder Tropfen Regenwasser auf der Lichtwiese bleibt“, sagt Edgar Dingeldein, Leiter des Dezernats Baumanagement und Technischer Betrieb.

Dafür muss das Wasser nach den Mulden noch über Brunnen durch das Pumpenhaus und die Steuerzentrale. Hier wird die gesamte Anlage von den Mitarbeitenden des Technischen Betriebs der TU geregelt und überwacht. Pumpenbetrieb, Durchflussmengen, Wasserstand in den Mulden – an diesem Tag 21 und 15 Zentimeter – , bakteriologische Reinheit, pH-Wert – all das ist hier als Information verfügbar und kann gesteuert werden. Sollten die Messwerte nicht optimal sein, kann das Team korrigierend eingreifen, um „Brauchwasser von höchster Qualität“ zur Verfügung zu stellen, wie Dirk Wittig aus dem Betriebsteam erläutert. Im Untergeschoss der Zentrale stehen die Pumpen, die das gewonnene Wasser schließlich ins Rohrnetz des Campus Lichtwiese einspeisen. „Die Pumpen arbeiten mit hohem Druck, damit das Wasser auch noch im fünften Stock der Chemiegebäude zuverlässig ankommt“, erklärt Dingeldein.

„Wichtiger Schritt zu einer nachhaltigeren Universität“

Bei der Gestaltung der Anlage und der Entnahme von Wasser geht die TU behutsam mit der Natur um. Gesät wurde hier eine besondere Samenmischung, die regionale Gräser und Blumen enthält und gut mit den wechselfeuchten Bedingungen klarkommt. Messtechnik und laufendes Monitoring stellen sicher, dass der Grundwasserpegel nicht zu weit absinkt oder ansteigt. So ist gewährleistet, dass die Vegetation immer optimal mit Wasser versorgt ist und keine Gebäude beeinträchtigt werden. Das vernetzte System aus Sickerbecken, Brunnen und Monitoringsystem optimiert den Wasserhaushalt im nördlichen Bereich der Lichtwiese und sorgt für eine gute Balance.

„Die Regenwasserbewirtschaftung ist für die TU Darmstadt ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Universität, der sich die lokalen Gegebenheiten und Möglichkeiten zu Nutze macht und damit den Standort Lichtwiese zusammen mit vielen weiteren geplanten und durchgeführten Maßnahmen fit für eine nachhaltige Zukunft werden lässt“, sagt Manfred Efinger, Kanzler der TU Darmstadt.

Die Wasserflächen am Campus sind übrigens nicht nur ein beliebter Freiraum für Spaziergänge, sondern leisten auch einen Beitrag zum aktiven Klimamanagement. „Solche Wetlands werden zunehmend in Städten angelegt“, erklärt Martin Bullermann, dessen Büro die Anlage plante. Die Wirkung der großen Wasserflächen ist einfach, aber effektiv: Im Sommer werden sie durch Verdunstung für willkommene Kühlung der Luft über dem Gelände sorgen.

Daten und Fakten

Bauzeit: April 2021 bis November 2022

Kosten: 2,4 Millionen Euro

Drei Versickerungsmulden mit jeweils 5.200 Quadratmetern Fläche (davon eine im Bestand, zwei neu angelegt)

820 Meter Kanalrohr

320 Meter Brauchwasserleitung

2.300 Meter Elektroleitungen

22 Brunnen

Elf Grundwassermessstellen